Tagesanzeiger. So dürfte sich Energieminister Albert Rösti das nicht vorgestellt haben. Der Bund sucht Betreiber von fossilen Reservekraftwerken, die nach 2026 für den Fall einer Strommangellage in Bereitschaft stehen müssen; die Verträge für die bestehenden Reservekraftwerke in Birr AG, Cornaux NE und Monthey VS laufen Ende Frühling 2026 aus.
Die Ausschreibung, die im letzten Sommer gestartet ist, dauert noch bis Mitte Februar – doch es harzt. Zum einen ist das Risiko einer Strommangellage in diesem Winter deutlich kleiner als im Vorjahr, präventive Notstrom-Massnahmen scheinen weniger dringlich. Zum anderen beklagen potenzielle Interessenten, das finanzielle Risiko sei zu gross.
Rösti will dieses Risiko deshalb absichern. Auf seinen Antrag hin hat der Bundesrat kurz vor Weihnachten beschlossen, dass die Betreiber die Projektierung und die erforderlichen Vorleistungen nicht selber bezahlen müssen.
Das Bundesamt für Energie (BFE) rechnet mit zusätzlichen Kosten in der Höhe eines mittleren zweistelligen Millionenbetrags. Berappen müssen diese Absicherung die Stromkonsumenten – wie die übrigen Kosten der Winterstromreserve, zu der neben den Reservekraftwerken weitere Elemente gehören, etwa die Wasserkraftreserve.
Insgesamt 2 Milliarden Franken, so schätzt der Bund, kostet die Stromreserve, die sicherstellen soll, dass die Schweiz diesen und die nachfolgenden zwei Winter ohne Mangellage übersteht. Der Aufschlag beträgt durchschnittlich 1,2 Rappen pro Kilowattstunde. Ein vierköpfiger Haushalt muss so am Ende des Jahres etwa 50 Franken mehr für den Strom zahlen – und das in Zeiten ohnehin erhöhter Strompreise. Mit der nun beschlossenen Kostenübernahme dürfte dieser Betrag leicht höher ausfallen.
Alpiq winkt ab, Axpo prüft
Es hat ziemlich lange gedauert, bis der Bundesrat das Problem erkannt hat. Zumindest für einen Teil der Interessenten kommt seine Einsicht zu spät. So etwa für die Chemie + Papier Holding AG, die die Papierfabrik in Perlen LU betreibt. Das Areal dort gehört zu jenen Standorten, die der Bund für geeignet hält.
Die Gruppe hatte im November gesagt, sie mache bei der Ausschreibung wegen des finanziellen Risikos nicht mit. Nun sagt CEO Peter Schildknecht: «Der Entscheid des Bundesrates kurz vor Weihnachten wäre ein Schritt in die richtige Richtung.» Doch die Zeitspanne sei nun zu kurz, um an der aktuellen Ausschreibung doch noch teilzunehmen. «Sollte es eine neue geben, würden wir diese prüfen.»
Andere potenzielle Interessenten geben sich zurückhaltend – selbst jene, die bereits ein Reservekraftwerk betreiben. So etwa Groupe E mit ihrem Reservekraftwerk in Cornaux. «Wir haben noch nicht entschieden, ob wir ein Angebot für den Standort Cornaux einreichen werden», sagt ein Sprecher.
Sollte der Vertrag mit Cornaux nicht verlängert werden, wird Groupe E das Kraftwerk aber im Rahmen von Leistungen für die nationale Netzgesellschaft Swissgrid weiterbetreiben – und zwar, um das Stromnetz stabil zu halten, so wie es bereits heute ausserhalb der Reserveperioden der Fall sei. Die Anlage laufe pro Jahr während 10 bis 40 Stunden.
Noch nicht entschieden hat auch die Axpo. «Wir analysieren insbesondere die Möglichkeiten, ein solches Kraftwerk so bald als möglich mit E-Methanol und später mit grünem Wasserstoff, also erneuerbaren Brennstoffen, zu betreiben», sagt ein Sprecher. Der Stromkonzern prüft derzeit verschiedene Standorte – welche, sagt er nicht. Birr befinde sich aber nicht darunter.
Andere mögliche Interessenten haben auf eine Anfrage nicht reagiert, so die Compagnie industrielle Monthey SA, die das Kraftwerk Monthey betreibt. Und General Electrics, die Besitzerin des Standorts Birr. Oder aber sie halten sich bedeckt wie die BKW. Oder winken ab wie der Bündner Energieversorger Repower.
Auch Alpiq macht nicht mit. Der Stromkonzern erläutert, er wolle einen klimafreundlichen Beitrag zur Stärkung der Versorgungssicherheit der Schweiz leisten. Er arbeite an zahlreichen Projekten für die Bereitstellung von Winterenergie und flexibler Speicherung. Dazu zählen Wasserkraftprojekte, alpine Fotovoltaik und Windparks.
Klimaschützer fordern Abbruch
Für die Winterreserve benötigt der Bund eine Leistung von 400 Megawatt. Die Werke in Birr, Cornaux und Monthey kommen zusammen auf 336. Womöglich wird es also eine weitere Ausschreibung brauchen. Das BFE sagt dazu, über das weitere Vorgehen werde entschieden, sobald das Ergebnis der aktuellen Ausschreibung klar sei.
Sicher ist: Politisch wird das Thema weiter zu reden geben. Zum einen, weil aufgrund des Atomausstiegs die benötigte Winterstromreserve künftig grösser werden dürfte. Die Elcom rechnet ab 2030 mit einer nötigen Leistung von 700 bis 1400 Megawatt, gut zwei- bis dreimal mehr als heute.
Zum anderen sind die fossilen Kraftwerke klimapolitisch umstritten – allen Absichten, sie mit grünen Treibstoffen zu betreiben, zum Trotz. Jonas Kampuš vom Klimastreik Schweiz kritisiert, der Bund halte weiterhin am Ausbau der fossilen Infrastruktur fest, statt endlich ein Konzept für eine klimafreundliche Energieinfrastruktur auszuarbeiten. «Er forciert damit eine Strategie, die nach dem deutlichen Volks-Ja zum Klimaschutzgesetz und zum Pariser Abkommen keine demokratische Grundlage mehr hat.»