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Der 900-Megawatt-Akku in den Walliser Alpen mit ABB-Prozessleittechnik

ABB Kundenmagazin. Nach einer fünfminütigen Autofahrt durch einen nebligen Tunnel tief im Berg erreicht man die Maschinenkaverne von Nant de Drance. Sie weist mit einer Länge von fast 200 Metern und einer Höhe von mehr als 50 Metern Ausmasse wie der Petersdom in Rom auf – rund 600 Meter unter der Oberfläche realisiert.

Sechs Pumpturbinen mit je 150 MW Leistung
Hier sind sechs Pumpturbinen mit einer Leistung von je 150 Megawatt installiert. Sie können Wasser zur Stromgewinnung turbinieren und ebenso Wasser wieder hochpumpen. Das leisten sie zwischen dem höher gelegenen Stausee Vieux Emosson und dem unteren, grösseren Stausee Emosson in einem weitgehend geschlossenen Kreislauf; Vieux Emosson hat nur kleinere Bergbäche als Zuflüsse.

Jean-Daniel Dayer (links) und Thomas Benz in der gewaltigen Machinenkaverne von Nant de Drance tief im Berg.
Jean-Daniel Dayer (links) und Thomas Benz in der gewaltigen Machinenkaverne von Nant de Drance tief im Berg.

Im Prinzip riesige wiederaufladbare Batterie
Damit wirkt das Anfang September 2022 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga feierlich eingeweihte Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, gut zehn Kilometer westlich von Martigny gelegen, als riesige, stetig wiederaufladbare Batterie.

Für die Stabilisierung des Stromnetzes konzipiert
Im Stromnetz müssen Produktion und Verbrauch grundsätzlich im Gleichgewicht sein. Die Stromproduktion von Solar- und Windkraftanlagen ist naturgemäss schwankend. Im Zuge der Energiewende werden immer mehr dieser Anlagen in das Stromnetz eingebunden, allmählich auch in der Schweiz. Der Verbrauch war im Tagesverlauf schon immer uneinheitlich, wobei die Nachfragespitzen besser planbar sind.

Lac d'Emosson, der untere und grössere der beiden Stauseeen für das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance.
Lac d'Emosson, der untere und grössere der beiden Stauseeen für das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance.

In wenigen Minuten auf Volllast
«Für diesen Ausgleich wurde Nant de Drance konzipiert», erklärt Jean-Daniel Dayer, Verantwortlicher für die Leittechnik in dem Pumpspeicherkraftwerk. «Wir können jederzeit Strom ins Netz einspeisen – bis zu 900 Megawatt. Den Volllast-Turbinenbetrieb erreichen wir in wenigen Minuten.» Dafür wird Wasser aus Vieux Emosson durch zwei 441 Meter hohe vertikale Schächte dem unterirdischen Kraftwerk zugeführt.

Theoretisch drei Stunden lang die ganze Schweiz versorgen
Ist der obere Stausee voll, könnte diese enorme Leistung knapp 20 Stunden lang eingespeist werden. Rein theoretisch entspricht die dabei generierte Energie dem gesamten Stromverbrauch der Schweiz von drei Stunden. Oder anders ausgedrückt: Damit liessen sich rund 400’000 moderne Elektroautos vollständig aufladen.

Die sechs Maschinengruppen in der Kaverne, die so lang wie zwei Fussballfelder ist.
Die sechs Maschinengruppen in der Kaverne, die so lang wie zwei Fussballfelder ist.

Über 2 Milliarden Franken investiert
Übersteigt die Stromproduktion die Nachfrage, kann das Kraftwerk diesen überschüssigen Strom speichern. Dafür schalten die Generatoren in den Motorbetrieb um und pumpen das Wasser aus Emosson wieder nach Vieux Emosson hoch. Der Wechsel vom Turbinen- auf Pumpbetrieb lässt sich in weniger als acht Minuten realisieren. Über 2 Milliarden Franken haben die Aktionäre der Nant de Drance SA – Alpiq, SBB, IWB und FMV – in dieses Pumpspeicherkraftwerk investiert.

Leitsystem 800xA von ABB installiert
Diese gewaltige Anlage muss zuverlässig gesteuert und überwacht werden. Das dafür konzipierte Los Prozessleittechnik gewann in der öffentlichen Ausschreibung ABB Schweiz Ende 2014. «Unsere Lösung basiert auf dem Leitsystem 800xA», erklärt Thomas Benz, Projektleiter seitens ABB Schweiz. ABB ist die weltweite Nummer 1 bei Prozessleitsystemen, mit einer installierten Basis von rund 35’000 Systemen in mehr als 100 Ländern.

Einblick in die Hardware des ABB-Leitsystems.
Einblick in die Hardware des ABB-Leitsystems.

Aus Lausanne ferngesteuert
«800xA ist das übergeordnete Prozessleitsystem, über das beispielsweise die Maschinengruppen – also die Pumpturbinen mit ihren Generatoren – angefahren beziehungsweise ausgeschaltet werden», so Benz. Im Normalfall erfolgt das ferngesteuert aus der Alpiq-Zentrale in Lausanne. Vor Ort sind bloss ein gutes Dutzend Fachkräfte für den routinemässigen Unterhalt des riesigen Kraftwerks stationiert.

Zahlreiche Schnittstellen programmiert
«Über unser Leitsystem laufen nicht nur die Befehle zu Steuerung, Regelung und Schutz der Maschinengruppen, sondern auch Daten zur Bedienung. Überwachung, Visualisierung und Alarmierung bezüglich all der weiteren Haupt-, Hilfs- und Nebenanlagen hier, vom Generatorschalter über den Kühlwasserkreislauf bis zur Messung des Pegelstands in den Stauseen», erklärt Benz. Dafür mussten Schnittstellen zur Datenkommunikation mit den untergeordneten Prozesssteuerungen und Steuerungssystemen anderer Loslieferanten definiert und programmiert werden.

Der Wirklich-alles-aus-Schalter.
Der Wirklich-alles-aus-Schalter.

800xA bewährt sich
«800xA funktioniert als Prozessleitsystem für unser Kraftwerk gut», zieht Jean-Daniel Dayer ein erstes Fazit, wenige Wochen, nachdem alle sechs Maschinengruppen erstmals unter Volllast liefen. «In der Kommunikation über manche Schnittstellen gibt es noch einzelne – nicht kritische – Verständigungsprobleme, die noch behoben werden.»

Auch Mittelspannungsanlagen und Synchronisiersystem von ABB
Für dieses Pumpspeicherwerk hat ABB weitere Lösungen und Anlagen geliefert. So beschaffte die Nant de Drance SA von unserem Unternehmen die nötigen Mittelspannungs-Schaltanlagen, insgesamt über 70 Felder. Für das automatische Synchronisieren der sechs Generatoren mit der Netzfrequenz sorgen sechs Synchrotact 5 von ABB. Auch die Generatorschalter und die Maschinentransformatoren lieferte ABB, bevor der Geschäftsbereich Power Grids, zu deren Portfolio sie gehören, verkauft wurde.

Mittelspannungs-Schaltanlagen von ABB.
Mittelspannungs-Schaltanlagen von ABB.

Servicevertrag mit ABB
Für das Leitsystem hat die Nant de Drance SA einen dreijährigen Servicevertrag mit ABB Schweiz geschlossen. Die Verfügbarkeit dieses Pumpspeicherkraftwerks hat für die Betreiber oberste Priorität. Nicht erst, seit Strom zur potenziellen Mangelware und die Strompreise sehr volatil mit deutlichen Ausschlägen nach oben geworden sind. Der Akku in den Walliser Bergen wird 80 Jahre lang oder noch länger zur Versorgungssicherheit der Schweiz beitragen. Erst recht, wenn die neu geplanten riesigen Solarkraftwerke in den Alpen ans Netz gehen

Quelle: ABB Kundenmagazin

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